Gedanken zum Hubertustag 2023

Veröffentlicht am 03.11.2023

Dr. Wolfgang Lipps mit Gedanken darüber, was die Hubertuslegende heute für uns Jäger noch bedeutet.

Meister von Werden: Die Bekehrung des Hl. Hubertus, um 1463-1480
Meister von Werden: Die Bekehrung des Hl. Hubertus, um 1463-1480

Von Dr. Wolfgang Lipps

Wenn wir Jäger auch in diesem schweren Jahr 2023 vielerorts wieder am 3. November den heiligen Hubertus als unseren Schutzpatron feiern, dann müssen wir uns mehr noch als bisher fragen lassen, was die Hubertuslegende heute für uns Jäger noch bedeutet.

Was sagt es uns, dass dem zügellosen Jäger Hubertus, Bischof von Lüt­tich, an einem Feiertag mitten in den Ardennen ein Hirsch erschien, der, als er ihn von den Hunden gestellt erlegen wollte, ein leuchtendes Kreuz zwischen den Geweihstangen trug, und so den gottlosen Jäger zu Umkehr und Einkehr bewegte? Was bedeutet diese Legende ganz allgemein für die Gesellschaft, über die Jagd hinaus?

Jagdgegner machen es sich leicht mit dem Sinngehalt dieser Le­gende. Für sie bedeutet sie ein­fach: Hört auf zu jagen!

Diese kurzatmige Auslegung ist natürlich unrichtig, aber nicht nur für uns Jä­ger ist diese Legende (in Fortführung der älteren Eustachius-Legende) recht eigentlich der Beginn von Nachhaltigkeit, Biodiversität und Tierschutz, der drei Grundpfeiler der heutigen Jagd, oder einfach zusammengefasst der „Weidgerechtigkeit“. Das meint unser kleines altes Jägergedicht, wenn es den Jäger dadurch kennzeichnet, dass er „weidmännisch jagt wie sich´s gehört, den Schöpfer im Geschöpfe ehrt“.

Denn die Legende weist in Wirklichkeit, und richtig verstanden, weit darüber hinaus. Sie ist heute ein Ausdruck dessen, was wir „Jagdethik“ nennen, die es ohne „Tierethik“ nicht geben kann. Sie soll uns alle, nicht nur die Jä­ger unter uns, ermahnen, Gottes Werk zu achten und im Einklang mit der Natur zu leben.

Da hat der Mensch seit alters her, insbesondere aber in letzter Zeit, schwer gesündigt. Der Mensch als Krone der Schöpfung ist zu ihrer Dornenkrone geworden. Er hat das Antlitz der Natur entstellt. Er hat Gewässer mit Müll verseucht, Lebensräume mit Mikroplastik vergiftet, Wälder ge­rodet, ganze Arten ausgerottet; er füllt den Weltraum mit menschlichem Abfall und zerstört die Atmosphäre – der globale Erdüberlastungstag (Earth Overshoot Day) 2023 fällt auf den 2. August. An diesem Tag (in Deutschland schon im April!) hat die Menschheit alle Ressourcen verbraucht, die ihr eigentlich für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen würden. Gleichzeitig schicken wir uns an, die Bau­pläne von Pflanzen und Tieren und dann sicherlich auch des Men­schen selbst gentechnisch zu ma­nipulieren.

Gerade deshalb aber tut es not, sich zumindest einmal im Jahr der Hubertuslegende zu erinnern. Da begegnet uns auf einmal, wie seiner­zeit dem gottlosen Jäger in den Ar­dennen, das Tier mit dem Kreuz. Das also will es uns sagen: dass wir umkehren sollen auf dem Weg des zügellosen und damit des vernichtenden Jagens, auch des Jagens nach Fortschritt, nach Geld, nach Macht über Pflanze, Tier und Mensch. Wir sollen zurückkehren auf den Weg der Hege, die einher­geht mit sinnvoller Nutzung und damit sinnvollem Verbrauch, mit Schutz des Wildes auch vor Über­population, und mit Ernte dort, wo wir gehegt haben – darin einge­schlossen also ist das sinn­volle, das notwendige, aber auch das weidgerechte Töten auf der Jagd.

Da wir uns die „Erde untertan“ machen dür­fen, dürfen wir Bäume fällen, Früchte ernten, Tiere züchten und schlachten, und Wildtiere jagen – und jagen heißt eben immer auch töten. Aber wir dürfen immer nur den Zu­wachs ernten, die Früchte, das selbst Erzeugte und das Nachwach­sende; nie dürfen wir die Sub­stanz zerstören. Immer muss unsere Umwelt nachhaltig und für die nächsten Generationen erhalten bleiben. das Gebot der nachhaltigen Nutzung der Erde und ihrer Schätze verbietet es, mutwillig zu zerstören, die Substanz an­zugreifen, und somit, ohne recht­fertigenden Grund zu töten.

Auf eine simple, aber schöne indianische Formel gebracht heißt das: Wir haben die Erde nicht von unseren Vorfahren geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen!

Damit erweist sich in der Tat, dass die moderne Jagd angewandter Naturschutz ist, wie unser so oft belächelter Autoaufkleber sagt. Wir Jäger ha­ben dieses Gesetz der nachhalti­gen Nutzung der Erde, zusammen mit den Forstleuten, vielleicht als erste begriffen. Immerhin sind wir Teil einer uralten Betä­tigung.

Des Weidmanns Ursprung liegt ent­ferntdem Paradiese nah.Da war kein Kaufmann, kein Sol­dat,kein Arzt, kein Pfaff, kein Advo­kat,doch Jäger waren da.

Wir Jäger also praktizieren rich­tig verstandenen Naturschutz – von unvermeidlichen Auswüchsen abgesehen – schon seit langer Zeit, und deshalb verlangen un­sere Jagdgesetze ebenso seit lan­ger Zeit, dass wir das Jagen als Hege begreifen zur „Erhaltung ei­nes artenreichen und gesunden, unseren landeskulturellen Ver­hältnissen angepassten Wildbestan­des“. Damit erfüllen wir an besonders verantwortungsvoller Stelle eine im Übrigen gesamtgesellschaftliche Verpflichtung der Erde, unseren Mitmenschen und unseren Mitgeschöpfen gegenüber.

Deshalb also ist der Hubertusgot­tesdienst und sind Hubertusjagden und Hubertusfeiern mehr als schö­nes oder nostalgisches jägeri­sches Brauchtum: Wir legen damit immer wieder unser Bekenntnis ab zur Jagd als aktiver Teilnahme an der treuhänderischen Verwaltung un­serer Welt, an der Erhaltung und dem Schutz unserer Lebensgrundlagen – letztlich also weit über das Jagen hinaus zu unserer aktiven Teilnahme am Schutz und der Erhaltung unserer Umwelt.

In diesem Sinne feiern wir in jedem Jahr, stellvertretend für alle, die nicht an Hubertusfeiern teilnehmen, unseren und damit eigentlich auch ihren Schutzpatron, Hubertus, den Schutzpa­tron der Jäger.

Zuerst erschienen beim Forum lebendige Jagdkultur e.V.