Frühmenschen hatten mehr als nur Wild auf dem Speiseplan

Veröffentlicht am 29.11.2023

Jagdstrategien und Ernährungsgewohnheiten von Frühmenschen der mittleren Altsteinzeit untersucht

Ein steinzeitlicher Mensch mit einem Speer auf der Jagd. (Nachgestellte Szene: iStock/gorodenkoff)
Ein steinzeitlicher Mensch mit einem Speer auf der Jagd. (Nachgestellte Szene: iStock/gorodenkoff)

Forscher des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen enthüllen in einer Studie, dass Frühmenschen des Mittelpaläolithikums eine vielfältigere Ernährung hatten als bisher angenommen. Die Analyse einer Fundstelle im iranischen Zagros-Gebirge zeigt, dass Homininen vor etwa 81.000 bis 45.000 Jahren nicht nur Huftiere, sondern auch Schildkröten, Raubtiere und möglicherweise Vögel jagten. Die Untersuchung, veröffentlicht im Fachjournal „Scientific Reports“, wirft somit ein neues Licht auf die Ernährungsgewohnheiten unserer Vorfahren.

Bislang waren die archäozoologischen Funde aus dem Gebirge fast ausschließlich auf Huftiere beschränkt

Die etwa 81.000 bis 45.000 Jahre alte Fundstelle im südlichen Zagros-Gebirge. (Foto: TISARP)
Die etwa 81.000 bis 45.000 Jahre alte Fundstelle im südlichen Zagros-Gebirge. (Foto: TISARP)

Die Ergebnisse von der Fundstelle Ghar-e Boof zeigen aber, dass zur Nahrung der dortigen Homininen unter anderem auch Raubtiere und Schildkröten zählten. Mario Mata-González, Erstautor der Studie und Doktorand an der Universität Tübingen, erklärt: „Mehr als 75 Prozent der Fauna von Ghar-e Boof besteht aus Huftieren – von kleinen bis sehr großen Arten. Wir haben vor allem Überreste von Wildziegen (Capra aegagrus) und Gazellen (Gazella sp.) gefunden. In geringerer Anzahl konnten wir zudem Wildschweine (Sus scrofa), Rothirsche (Cervus elaphus), Pferdeähnliche (Equus sp.) und Wildrinder (Bos primigenius) dokumentieren“, erläutert der Tübinger Doktorand und ergänzt: „Neben den Huftieren sind Schildkröten (Testudo sp.) die am häufigsten vorkommende Art, deren Fossilien wir auf der etwa 18 Quadratmeter großen Ausgrabungsfläche bergen konnten.“ Auch Knochen verschiedener Vogelarten und wenige Überreste von Fleischfressern, wie einem Rotfuchs (Vulpes vulpes) und einer großen Raubkatze – wahrscheinlich eines Leoparden (Panthera cf. pardus) –, konnte das Forschungsteam identifizieren.

Schnitt- und Bearbeitungsspuren an einigen fossilen Knochen belegen die Aktivität von Frühmenschen. Die Schildkröten wurden vermutlich vor dem Verzehr in ihren Panzern geröstet, wie die Feuerspuren auf den Außenflächen der fossilen Schildkrötenpanzer nahelegen.

Die Ergebnisse von der Fundstelle Ghar-e Boof zeigen, dass sich die dortigen Homininen unter anderem auch von Raubtieren und Schildkröten ernährten. (Foto: N. Conard)
Die Ergebnisse von der Fundstelle Ghar-e Boof zeigen, dass sich die dortigen Homininen unter anderem auch von Raubtieren und Schildkröten ernährten. (Foto: N. Conard)

Prof. Nicholas J. Conard, Letztautor der Studie, fasst zusammen: „Die faunistischen Überreste von Ghar-e Boof sind der erste Nachweis für die Nutzung von Kleinwild, wie Schildkröten oder Vögeln, sowie Raubtieren durch Homininen im südlichen Zagros-Gebirge. Auch wenn der Verzehr einiger dieser Arten nur sporadisch stattfand, zeigen unsere Ergebnisse, dass die im Mittelpaläolithikum lebenden Homininen der Zagros-Region einen vielfältigeren Speiseplan hatten als bisher angenommen. Dies deckt sich mit Funden in anderen Teilen Eurasiens.“

Publikation: Mata-González, M., Starkovich, B.M., Zeidi, M. et al. Evidence of diverse animal exploitation during the Middle Paleolithic at Ghar-e Boof (southern Zagros). Sci Rep 13, 19006 (2023). https://www.nature.com/articles/s41598-023-45974-8

Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung