Auf geht’s in die Alpen: Nepomuk und Sisi fliegen über die Gipfel Österreichs

Veröffentlicht am 23.09.2023

Ausgewilderte Bartgeier haben den Nationalpark Berchtesgaden verlassen – Flugrouten aller Bartgeier im Internet verfolgen

Sisi im Flug über Berchtesgaden. (Foto: © Markus Leitner)
Sisi im Flug über Berchtesgaden. (Foto: © Markus Leitner)

Der im Mai dieses Jahres durch den bayerischen Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und den Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderte Bartgeier Nepomuk hat am 16. September sein bisheriges Aufenthaltsgebiet im Nationalpark verlassen und erkundet nun den österreichischen Nationalpark Hohe Tauern. Einen Tag später folgte ihm die ebenfalls in diesem Jahr ausgewilderte Bartgeierdame Sisi in dieselbe Region der österreichischen Zentralalpen. „Es freut uns ungemein, dass Nepomuk, der jünger und deutlich kleiner als seine Gefährtin Sisi ist, nun als erster den großen Schritt hinaus in die Wildnis der Alpen wagt“, sagt LBV-Bartgeierexperte Toni Wegscheider. Wie alle jungen Bartgeier werden die beiden Vögel in den nächsten Jahren über weite Teile des Alpenbogens fliegen und dabei tausende Kilometer zurücklegen. Damit ist die dritte Saison im gemeinsamen Auswilderungsprojekt des Bartgeiers in Bayern weitgehend abgeschlossen. Dank GPS-Sendern auf dem Rücken der Vögel können Bartgeier-Fans die Flugrouten aller bisher ausgewilderten Geier durch Europa online mitverfolgen unter www.lbv.de/bartgeier-auf-reisen.

Im Juni startete das zierliche Bartgeiermännchen Nepomuk außergewöhnlich früh zu seinem Jungfernflug im Alter von nur 107 Tagen. Im Durchschnitt brechen junge Bartgeier erst nach 120 Tagen zum ersten Flug auf. Obwohl Nepomuk sich in der ersten Phase seiner Flugübungen sichtlich schwer tat mit Sisi mitzuhalten, holte er seinen Rückstand bald auf. „Im Spätsommer war Nepomuk deutlich entdeckungsfreudiger als seine Artgenossin Sisi. 100 Kilometer Flugstrecke pro Tag waren bei seinen Ausflügen bis nach Tirol und in die Salzburger Kalkalpen keine Seltenheit“, so Nationalparkleiter Dr. Roland Baier. Nun legte Nepomuk eine beachtliche Distanz von über 300 Kilometer nach Süden in die Zentralalpen des österreichischen Nationalparks Hohe Tauern zurück.

Wie schon Recka, Dagmar und Bavaria aus den ersten beiden Projektjahren werden Nepomuk und Sisi nun mindestens zwei bis drei Jahre den Alpenraum durchstreifen und dabei Ausschau nach Nahrung und anderen Bartgeiern halten. Sie fliegen dabei durch Gebiete von bis zu 10.000 Quadratkilometern. Um sesshaft zu werden und ein Revier zu gründen, kehren die meisten Bartgeier allerdings wieder in ihre Herkunftsregion zurück. Das Bartgeier-Team von LBV und Nationalpark Berchtesgaden ist also optimistisch, beide Vögel in einigen Jahren wieder im weiteren Umfeld des Nationalparks beobachten zu können. „Auch wenn wir durch die GPS-Sender die Flugrouten aller Geier gut überwachen können, bitten wir darum, Bartgeiersichtungen an bartgeier@lbv.de zu melden. Am besten mit einem Foto, denn selbst auf einem Handybild lassen sich oft überraschend viele Details finden“, so Toni Wegscheider.

In diesem Jahr war für die Expertinnen und Experten besonders spannend, dass Sisi nur einen Tag nach Nepomuk aus dem Nationalpark aufgebrochen ist. In den bisherigen beiden Projektjahren dauerte es jeweils einige Wochen bis nach dem ersten Bartgeier auch dessen Artgenosse dauerhaft abgeflogen ist. „Zum Ende ihrer Zeit im Nationalpark kreisen die Geierjungvögel zwar noch direkt über den bestückten Futterplätzen, finden nun aber in den umliegenden Bergen so viel natürliches Aas, dass sie auf die zusätzlichen Futtergaben durch unsere Team verzichten können“, erklärt Dr. Roland Baier. Als reine Aasfresser suchen Bartgeier beispielsweise nach toten Gämsen oder den Überresten anderer, verendeter Wildtiere, deren Knochen sie verwerten.

Bis etwa 2030 sollen im Nationalpark Berchtesgaden jährlich zwei bis drei Bartgeier ausgewildert werden, um langfristig einen Brutbestand dieses imposanten, einst vom Menschen ausgerotteten Alpenbewohners aufzubauen. Da beide Geier in den nächsten Wochen immer noch gelegentlich in ihr bisheriges Aufenthaltsgebiet im Nationalpark Berchtesgaden zurückkehren werden, finden die kostenlosen Bartgeierwanderungen von LBV und Nationalpark Berchtesgaden noch bis auf weiteres statt.