Artenvielfalt im Wald anstelle von Fichtenmonokulturen

Veröffentlicht am 24.08.2023

Die durch die Rodung von Fichten entstandenen Freiflächen im Wald werden zu Hotspots der Biodiversität

Auf der ehemaligen Fichten-Kahlfläche blüht jetzt allerhand: Zum Beispiel Disteln oder die Große Klette. Auch die nächste Waldgeneration aus Kirsche, Bergahorn, Elsbeere, Rotbuche und Winterlinde steht schon in den Startlöchern. (Foto: Wald und Holz NRW, Stefan Befeld)
Auf der ehemaligen Fichten-Kahlfläche blüht jetzt allerhand: Zum Beispiel Disteln oder die Große Klette. Auch die nächste Waldgeneration aus Kirsche, Bergahorn, Elsbeere, Rotbuche und Winterlinde steht schon in den Startlöchern. (Foto: Wald und Holz NRW, Stefan Befeld)

Die sichtbaren Auswirkungen des Fichtensterbens, wie wir sie derzeit vielerorts beobachten können, vermitteln auf den ersten Blick den Verlust von wertvollen Waldbereichen. Doch wo Verluste auftreten, finden sich oft auch Gewinner. Zahlreiche Insektenarten, Pflanzen und Vögel haben sich auf diese lichtdurchfluteten Flächen spezialisiert. Während Birken und andere Pionierbäume langsam den Waldboden zurückerlangen, bieten diese Areale wertvolle Lebensräume für viele krautige Pflanzen und Tierarten.

Dort, wo einst die Kronen der Fichtenwälder ein undurchdringliches Dach bildeten, kann nun die Sonne ungehindert auf den Waldboden scheinen. Dies schafft ein Paradies für zahlreiche Pflanzen- und Tierarten, die auf warme und helle Strukturen angewiesen sind. Thomas Kämmerling, Leiter von Wald und Holz NRW, betont: „Das großflächige Fichtensterben ist vor allem für die betroffenen Waldbesitzenden eine Katastrophe. Die Aufgabe der nächsten Jahrzehnte wird sein, den Wald klimastabiler zu gestalten. Aus Naturschutzperspektive bieten die Kahlflächen dagegen einen ganz besonderen Schatz der Artenvielfalt. Jede Entwicklungsphase der Wälder ist einzigartig und bietet verschiedenen Pflanzen und Tieren einen Lebensraum.“

Die Große Klette ist ein wahrer Schmetterlingsmagnet. Der Kaisermantel findet an sonnigen Waldrändern und -lichtungen ein großes Futterangebot (Foto: Wald und Holz NRW, Stefan Befeld)
Die Große Klette ist ein wahrer Schmetterlingsmagnet. Der Kaisermantel findet an sonnigen Waldrändern und -lichtungen ein großes Futterangebot (Foto: Wald und Holz NRW, Stefan Befeld)

Krautige Pflanzen wie Fingerhut, Disteln und Kletten sprießen als erste aus dem Boden. Sie ziehen zahlreiche Insekten und Vögel an und bieten ihnen das ganze Jahr über eine reiche Nahrungsquelle. Im Sommer genießen viele Insekten den Nektar und die Pollen der Disteln. Schmetterlingsraupen ernähren sich von deren Blättern. Im Winter dienen die Samen den Vögeln als Nahrung. Vögel wie der Neuntöter, der Baumpieper oder der Grauspecht sind auf eine Abfolge von offenen Bereichen und vereinzelten Büschen, Sträuchern oder Bäumen angewiesen.

„Im Rahmen der Wiederbewaldung bin ich viel auf den Freiflächen unterwegs. Wo es vorher noch sehr still war, summt und brummt es überall und zeigt mir: Der Wald war nie weg,“ staunt Stefan Befeld, Förster im Regionalforstamt Hochstift.

Innerhalb dichter Wälder entstehen immer wieder kleine und größere Freiflächen. Dies kann beispielsweise durch Holzeinschläge, Sturmstürze oder das Absterben von Bäumen aufgrund von Krankheiten geschehen. Normalerweise ereignen sich solche Prozesse vereinzelt und auf begrenztem Raum. Die ehemaligen Fichtenflächen bieten Insekten und Vögeln jedoch einen besonders großen vorübergehenden Lebensraum. Viele Arten profitieren von dieser besonderen „Freiflächenflora“. Bis sich auf den kahlen Flächen wieder ein dichter Wald entwickelt, vergehen mehrere Jahrzehnte. In der Zwischenzeit wächst die nächste Generation von Bäumen heran. Dann schrumpft der Lebensraum für die bunt blühenden krautigen Pflanzen und beschränkt sich erneut auf Waldränder und Lichtungen.