Wolfsgeschichten aus Polen und im Bundestag
In den deutschen Medien spielt der Wolfsangriff auf zwei Kinder und eine erwachsene Frau in Polen nach der Schlagzeilen-Aufregung der vergangenen Tage keine große Rolle mehr. Dabei verdienen die Erklärungsversuche ebenso Beachtung wie die jüngste Wolfsabstimmung im Deutschen Bundestag – mit neuen Hiobsbotschaften.
Neue Untersuchungen zeigen: Das Tier, das in Polen zugebissen hat, war eindeutig ein Wolf und kein Mischling. Das haben Veterinäre der Universität Warschau nach ausgiebiger Genanalyse festgestellt. Damit sind Spekulationen beendet, dass ein an Menschen gewöhnter Mischling an den Angriffen Schuld sein könnte. Schon vor der Untersuchung war klar: Das Tier war weder unterernährt noch litt es unter Tollwut.
Nun gibt es neue Erklärungsversuche, bei denen manche Wolfsfans einen roten Kopf bekommen dürften: Der polnische Pro-Wolf-Verein „Wilk“ spricht öffentlich über die Unsitte, Wölfe mit Futter anzulocken. Zum Fotografieren oder auch nur zum Gucken. An solchem Wolfstourismus seien Ausländer beteiligt, auch aus Deutschland. Und die so an Menschen gewöhnten Wölfe seien nicht Täter, sondern Opfer. Wohl Opfer falsch verstandener Tierliebe und – im Fall der Fotografen – von Geschäftemacherei.
Schon vorher hatten sich Theorien erledigt, der erschossene Wolf stamme aus einer haustierähnlichen Haltung. Dass die Eckzähne nur noch Stummel waren, erklärte der Amtstierarzt mit dem Schrotschuss, mit dem ein Jäger im Auftrag der Behörden das Tier streckte. Die ungewöhnlich stark abgenützten Krallen könnten durchaus daher stammen, dass der junge Rüde regelmäßig auf Teerstraßen in besiedeltem Gebiet unterwegs war.
Sind es nun 70 oder 700 Wölfe?
Neue Blüten treibt derweil die Verharmlosung: Die Chefin des Wilk-Vereins behauptet im Interview mit der „taz“, dass es in Deutschland nur 70 Wölfe gebe. Realisten, auch von den Grünen, gehen mittlerweile von 700 deutschen Wölfen aus. Die grenzüberschreitende deutsch-polnische Zusammenarbeit beim Monitoring wäre wohl überfällig, klappt aber in der Praxis nicht.
Interessant auch, dass der jüngste Bundestagsbeschluss zum Wolfsmanagement der Bundesumweltministerin nur unter heftigen Geburtswehen zustande kam. Von der breiten Öffentlichkeit unbeachtet blieb, dass 47 Unionsabgeordnete nur um des Koalitionsfriedens willen zustimmten und Bedenken zu Protokoll gaben. Größte Überraschung, auch für Politik-Wolfskenner: In Armenien gab es wenige Tage vor der Parlamentssitzung einen Wolfsangriff auf Kinder – diesmal mit tödlichem Ausgang.
Tödlicher Angriff in Armenien
Die CDU-Abgeordneten Arnold Vaatz und Albert Weiler, beide aus dem Wolfs(hybriden)-Bundesland Thüringen, ließen sich den hierzulande weitgehend unbekannten Vorfall extra vom armenischen Botschafter bestätigen: Zwei Kinder, vier und zehn Jahre alt, wurden am 28. Mai 2018 in Berg Karabach von einem Wolf überfallen und so schwer verletzt, dass sie rund vier Wochen später im Krankenhaus starben. Ob Armenien zu Europa gehört, wird damit auch für Leute zur spannenden Frage, die darauf verweisen, dass in der Neuzeit noch kein Europäer von Wölfen angefallen wurde.